Psalm 100, 5                                        

„…und seine Gnade ist ewig …“

Ewigkeit – was ist das? Man erzählt sich dazu eine uralte Geschichte: „Alle 100 Jahre fliegt ein Rabe zum höchsten Berg auf Erden. Wir nehmen an, es ist der „Mount Everest“ mit seinen 8.848 m Höhe. Dort wetzt sich dieser Vogel dann den Schnabel. Nehmen wir weiter an, dass jedes Mal der Bruchteil eines Millimeters dabei verbraucht wird, so dass der gigantische Berg irgendwann durch das Wetzen des Schnabels abgetragen wäre. Dann – so sagt der Volksmund – ist eine Sekunde der Ewigkeit vergangen!“

Das ist natürlich nur ein sehr kläglicher Versuch, zu verstehen, was „Ewigkeit“ ist. Denn letztlich handelt es sich eben nur um „fast undenkbar lange Zeitepochen“. Aber: Was ist „Ewigkeit“? Auch die Bibel versucht sich dem Verständnis „anzunähern“.

So schreibt der Apostel Petrus in seinem 2. Brief: „Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.“ An andrer Stelle wird von „der Länge der Tage“ gesprochen. So müsste man die hebräischen/jüdischen Begriffe übersetzen, die etwa in Psalm 23 oder Psalm 91 gebraucht werden.

Es bleibt festzustellen, dass wir das „Undenkbare“ nur mit den Kategorien unseres Verstehens beschreiben können. Und das ist begrenzt! Eingeschränkt durch unsere Sterblichkeit. Im wahrsten Sinne des Wortes „un-be-geiflich“. Wir können „Ewigkeit“ nicht denken, weil all unser Denken, Fühlen, Wollen, Leben, nur „zeitliches“ erfassen und denken kann. Eben: „Unser Weissagen ist Stückwerk und unser Erkennen ist Stückwerk!“ so schreibt es der Völkerapostel im berühmten Hohelied der Liebe.

Wie kann man dies aber dennoch verstehen? Ein Schlüssel dazu scheint mir der Name Gottes zu sein, wie ER selbst sich Mose offenbart hat: „ICH BIN, der ICH BIN!“ wird es allgemein hin übersetzt. (Wir lassen hier mal außenvor, dass der faszinierende Gottesname immer auch eine persönliche Zuwendung beinhaltet. Das ist zutiefst SEIN Wesen, SEIN Charakter: „ICH BIN FÜR DICH DA“ lautet SEIN Name – die vier geheimnisvollen Buchstaben J-H-W-H, die im Mittelalter missverständlich und als Lesefehler mit „Jehova“ wiedergegeben wurden!)

Die jüdische Übersetzung dieses Namens – und sie sind bei weitem am „dichtesten dran an der Wahrheit“ – lautet: EWIGER, weil die Zeitform dieses Wortes unbestimmt ist. So kann es heißen: „ICH BIN, der ICH BIN“ oder „ICH WAR, der ICH WAR“ oder ICH WERDE SEIN, der ICH SEIN WERDE“. Dem „Heilig, heilig heilig ist der EWIGE Zebaoth: Alle Lande sind seiner Herrlichkeit voll“, aus der Berufungsvision des Propheten Jesaja, wird im Neuen Testament durch den Seher Johannes auf Patmos entgegengestellt: „… der da war und der da ist und der da kommt.“

Während der erste Text die „Allgegenwart“ des HERRN bezeugt, nimmt der Lobpreis der Johannesoffenbarung Bezug auf den Gottessohn Jesus Christus, in dem seine „zeitlose“ Gegenwart verkündet wird, mit dem besonderen Fingerzeig: „…der da kommt!“ Der Gott, der kommt, ist derjenige, der dringlichst erwartet wird; dessen Kommen herbeigesehnt, herbeigefleht wird. Im Vater-unser, dem Gebet, was Jesus selbst gelehrt hat, mit den Worten: „…dein Reich komme – dein Wille geschehe, wie (jetzt schon allezeit) im Himmel, so auch auf Erden!“ Ebenso wird in der frühchristlichen Tradition, der Gebetsruf: „Maranatha!“ – Unser HERR, komm!“ immer und immer wieder – besonders bei der Feier des Abendmahls – gemeinsam gesprochen. „Ja – amen: komm, HERR Jesus!“

Ein weiterer Fakt, um zu verstehen, begegnet uns bereits im ersten Satz der Bibel: „Im Anfang schuf Gott…“ Manchmal auch übersetzt: „Am Anfang schuf Gott…“ Aber ebenso kann man auch übersetzen: „Durch einen Anfang schuf Gott…“ Damit kommt der Charakter der „Ewigkeit“ am Deutlichsten heraus:

EWIG heißt: „Ohne Anfang und ohne Ende“! Gottes Gunst, - Gnade, Güte, Gemeinschaftstreue, Solidarität, Freundlichkeit, Liebe – war schon immer da (!) und wird immerdar (!) da sein. „Vor Grundlegung der Welt sind wir (Menschen) erwählt …“ zur Gemeinschaft mit Gott. Und „Seine Güte ist noch nicht ausgeschöpft“ – sie „hat kein Ende“ … Mit anderen Worten: Lange bevor es DICH gab, hat Gottes Liebe (zu Dir!) schon existiert. Und daran wird sich auch bis in fernste Zeiten nichts – absolut nichts! – ändern!! Darum übersetzt Luther sinngemäß richtig: „Ich habe dich je und je geliebt! Darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ Ja – „…seine Gnade ist ewig …“ – Und das ist auch sehr gut so!!

Angesichts der dunkler werdenden Jahreszeit mit den vielen Gedenktagen – auch dem sogenannten „Totensonntag“, halten wir an dem unwandelbaren Evangelium fest. So wird für uns der „Totensonntag“ zum „Ewigkeitssonntag“, an dem wir dankbar unsrer Verstorbenen gedenken – in der Gewissheit: Sie sind uns nur vorausgegangen und erwarten uns, wenn sich die zeitliche Dimension des Lebens für uns vollendet. Trösten wir einander mit den Worten von Martin Luther King: „Gott ist mächtig! Er vermag das dunkle Gestern in ein helles Morgen zu verwandeln. Zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit!“

In diesem Sinne allen LeserInnen des Gemeindebriefes von Herzen Gottes Segen!

Pastor Bernd Niemeier

  

(Bibelzitate im Text: 2. Petr. 3, 8; Ps. 23, 6; Ps. 91, 16; 1. Kor. 13, 9; 2. Mose 3, 14;
Mt. 6,10; 1. Kor. 16, 22; Offb. 22, 20; Eph. 1, 4; Klgl. 3, 22-23;   Jer. 31, 3; Ps. 100, 5)

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